Ratgeber: Außer Atem beim Laufeinstieg |
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Atemtechnik - Laufen statt Walking, obwohl die Luft wegbleibt?
"Heidi" aus der Schweiz schreibt:
Sehr geehrter Herr Steffny
Ich habe mich in ihren interessanten Artikeln völlig vergessen. Eine Frage, die ich nicht
gefunden habe, habe ich dennoch: Und zwar:
Ich (59) laufe seit gut drei Monaten. Zu Beginn
konnte ich kaum eine Minute am Stück laufen. Durch
Intervall-Trainings kann ich nun auch schon 10 Minuten am
Stück laufen. Mein Problem ist aber, dass ich bereits
nach einer Minute enorm atmen muss und ich dadurch nicht
mehr sprechen kann. Tempo ist niedrig. Sobald ich zu laufen
beginne, schnellt die Herzfrequenz auf 140 bis 155
Schläge und auch das Laktat ist bei diesen Grössen dann bereits
zwischen 5 bis 7 mmol/l. Ich will aber weiterhin joggen
und nicht walken oder Nordic walken, frage mich aber,
schaffe ich es überhaupt, einmal eine Stunde zu joggen und wie
erreiche ich es, dass ich beim joggen noch sprechen kann und die
Atmung nicht gleich verklemmt?
Mit bestem Dank für Ihre Antwort.
Heidi
Antwort von Herbert Steffny
Hallo "Heidi",
das ist ein altbekanntes Problem bei Laufeinsteigern. Wenn die
Atmung zu heftig wird und die Laktatwerte zu hoch gehen, sind Sie
schnell im "roten Bereich". Im Körper klingeln
eigentlich alle Alarmglocken, aber der Kopf will es nicht
wahrhaben, also versucht man es mit der Brechstange und
überfordert sich chronisch. Meist machen das eher Männer. Viele
wollen einfach nicht walken. Aber der Weg zum Laufen führt oft
über Walking, das eben das Bindeglied zwischen Nichtstun
und "Schon-Laufen-können" ist. Daher haben
wir uns schon in den Neunziger Jahren als "Lauftrainer"
für Walking und Nordic Walking stark gemacht, weil wir am besten
wissen, wieviele sich mit Laufen zu Beginn wissentlich oder
unwissentlich überfordern. Mein Buch "Walking - Nordic
Walking" war eines der ersten
im deutschsprachigen Bereich zu diesem Thema und schon 1994 /
1995 leitete ich die Zeitschrift Running & Walking.
Doch genug Historie. Sie machen im roten Bereich
eigentlich kein Ausdauertraining und trainieren
beispielsweise auch nicht den Fettstoffwechsel. Obwohl Sie sich
abmühen und wohl auch "quälen" kommen Sie mit dem
Training nicht so recht voran. Zehn Minuten Laufen am Stück,
dabei bereits nach einer Minute außer Atem und das nach drei
Monaten Training ist leider nicht viel. Um wirkliche Fortschritte
im Ausdauerbereich, Herzkreislauf oder Fettstoffwechsel,
Blutdruck oder bei den Cholesterinwerten zu machen, müssten Sie
deutlich langsamer im "grünen Bereich" und
ohne Atemnot unterwegs sein. Nun werden Sie wie die
meisten protestieren: "Was noch langsamer? Dann muss ich
ja gehen!".... Jawohl, genau das kann richtig sein!
Die schlechte Nachricht ist: Sie haben zu hoch gegriffen und sind vielleicht doch noch weniger fit als gedacht,...
Die gute Nachricht aber ist: wenn Sie etwas langsamer trainieren, ist es weniger quälerisch, Sie sind nicht außer Atem und....
...wenn der Kopf das nur akzeptiert: werden Sie von diesem realistischen Ausgangsplateau endlich Fortschritte machen, wenn Sie auf Ihrem wirklichen Leistungsvermögen und nicht immer zu hoch einsteigen und belasten.
Da ich Sie nicht kenne und ohne Sie jemals gesehen zu haben, fällt mir eine Einschätzung auf die Ferne auch sehr schwer . Da wären noch viele Fragen, die Sie mit einem versierten Trainer oder Sportarzt abklären müßten: Haben Sie gesundheitliche Problem? Ist das Gewicht vielleicht auch noch sehr hoch? Laufen Sie etwa viel zu anstrengend auf dem Vorfuß usw....
Der "Sprung" beim
Laufen, die Flugphase, ist anders als beim Gehen oder Walking
für Einsteiger natürlich wirklich zunächst anstrengender und
orthopädisch belastend. Man/frau ist dabei schnell außer Atem.
Es kann wirklich sein, dass für Sie Walking (oder
Schwimmen, Radfahren) vorerst doch noch besser ist, oder
dass Sie bei den Laufabschnitten (die genannten
"Intervalle"?) des "Gehen, Joggen, Gehen usw.
Plans (aus meinen Büchern?) einfach zu
schnell unterwegs sind. Also besser in diesem Falle mit flott
Gehen und gaaaaanz langsam Traben (fast auch der
Stelle!) abwechseln. Nun hat der Körper endlich ohne
Überlastung eine Chance sich anzupassen und echte Fortschritte
zu machen. Ich möchte Sie also auf keinen Fall demotivieren,
sondern nur etwas bremsen. Die "Kraft der
Langsamkeit" beim Ausdauertraining leuchtet vielen
einfach nicht ein. Da fehlt wohl das sportbiologische
Hintergrundwissen. Übrigens sind auch Ihre angegebenen
Pulswerte recht hoch. In Ihrem Alter wäre eigentlich
statt 140 bis 155 eher ein Trainingspuls von 120 Schlägen pro
Minute zu erwarten. Natürlich weichen manche von diesen
Standardwerten ab, aber auch Ihre angegebenen Laktatwerte
bestätigen doch klar, dass Sie im roten Bereich überziehen...
...daher eine Gegenfrage noch zu meiner Orientierung: woher
wissen Sie eigentlich die Laktatwerte beim Laufen? Wenn
Sie die messen (lassen)... sollte doch auch jemand mit Kenntnis
(Trainer, Sportmediziner?) dahinter stecken und Sie eigentlich
vor Überforderung schützen...? Bei Ihren Laktatwerten
hätten Sie bei mir jedenfalls klares Laufverbot,
zumindest in dem Tempo wie Sie es betreiben! Und noch etwas zum
Abschluss: Nur Ihr Kopf weiß, ob Sie Walken oder Joggen, das
Herz (Pulsfrequenz) und die Atmung weiß das nicht. Lassen
Sie Ihren Kopf doch einfach mal auf den Körper hören!!!
Mit regelmäßigem, sanfterem Training kommen Sie wahrscheinlich
viel weiter! Ausführliche Informationen und Tests zum sinnvollen
Trainingsaufbau beim Laufeinstieg bekommen Sie allerdings auch
aus meinem "Großen
Laufbuch"
Mit freundlichen Grüßen -
und viel Erfolg beim etwas sanfteren Training beim Walking oder
auch "Laufen ohne Schnaufen"!
Ihr Herbert Steffny
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