Ratgeber: Höhentraining oder Hitze? |
Herr Thomas S. fragt:
Sehr geehrter Herr Steffny,
haben Höhentraining und Training bei schwülem, sauerstoffarmem Wetter die gleiche Wirkung? Traditionell quälen sich Ausdauersportler zur Wettkampfvorbereitung im Gebirge, wo die Luft dünn ist, weil der Körper da schlechter Sauerstoff über die Lungen aufnehmen kann, steuert er gegen, indem er mehr rote Blutkörperchen bildet. Auf diesen Punkt gehen Sie auch entsprechend im "Großen Laufbuch" ein und empfehlen Höhentraining. Aus eigener Erfahrung merke ich, dass bei hoher Luftfeuchtigkeit, oder schwülem Wetter der Puls bereits bei niedrigerer Belastung steigt. Frage: Vergleiche ich da bei nun Äpfel mit Birnen?
Viele
Grüße Thomas
Antwort von Herbert Steffny:
Hallo Herr S.,
Der Trainingseffekt beim Höhentraining beruht auf der sauerstoffärmeren Luft im Gebirge. Wie man aus den Angaben und Tabellen zum Höhentraining im Großen Laufbuch auf den Seiten 225-229 entnehmen kann, sind bereits bei mir zuhause im Schwarzwald (Titisee, Hinterzarten) in knapp 1000 Meter Höhe, wo wir unsere Seminare veranstalten 10 Prozent weniger Sauerstoff pro Luftvolumen im Vergleich zur Meereshöhe. In St. Moritz, einem Eldorado für Höhentraining, sind es in rund 1.800 Meter Höhe bereits 20 Prozent weniger. Hier beginnt echtes Höhentraining. Im Hochland von Westkenia, den "Nandihills", wo ich in 2.500 Metern Höhe mit den Kenianern trainiert habe, und wo die "Wunderläufer" herkommen, sind es schon fast 30 Prozent weniger. Da kommt man schon auf flacher Strecke ganz schön außer Atem und der Puls ist schnell oben, wenn man sein Tempo nicht entsprechend (z.B. mit einem Herzfrequenzmesser) anpasst. Der Körper produziert als natürliche Anpassung durch Ausschüttung des "blutbildenden Hormons" Erythropoeitin ("EPO") vermehrt rote Blutkörperchen (Erythrocyten). Leider geht bei Höhentraining viel schief, da viele Athleten dort oben falsch trainieren. Höhentraining ist also nicht automatisch die Garantie für einen späteren Wettkampferfolg in der Ebene! Wer aber in der Höhe einen Wettkampf bestreitet, wird von einer rechtzeitigen Anreise und dadurch bedingten Akklimatisation natürlich profitieren. (Ausführliches dazu im Großen Laufbuch).
Anders ist es bei Hitzetraining. Auch hierbei geht der Puls hoch, aber nicht wegen der dünnen Luft. Sie schreiben zwar von "schwülem, sauerstoffarmem Wetter", aber der Sauerstoffgehalt bleibt bei Wärme eigentlich einigermaßen gleich. Es kommt daher auch nicht zu einer vermehrten Bildung von roten Blutkörperchen. Der Grund ist die zusätzlich zur Muskelarbeit auch wärmebedingte Aufheizung der Körpertemperatur und die mögliche hohe Luftfeuchte, die eine effiziente Kühlung durch Schwitzen verschlechtert. Das Herz und der Kreislauf haben dadurch einen Mehraufwand den Körper abzukühlen, indem die Schlagfrequenz erhöht wird, die Hautgefäße zur Wärmeabfuhr geweitet werden und die Schweißproduktion angekurbelt wird. Bei Flüssigkeitsmangel im Körper wird das Blut immer zähflüssiger und dadurch die Herzfrequenz weiter erhöht. Einen "Sauerstoffmangel", der die Produktion der roten Blutkörperchen ankurbelt, gibt es hierbei also nicht. Ein Training bei Wärme ist im Sommer oft nicht ganz zu vermeiden, aber für einem Start bei einem Tropenrennen zu Voranpassung sogar sinnvoll. Insgesamt ist Laufen bei schwülwarmem Wetter also ein ziemlich stressiges, starkes Herzkreislauftraining. Ausreichend Trinken ist dafür ganz wichtig. Viele Tipps für Laufen im Sommer, in den Tropen bei Hitze und Ozon kann man ebenfalls meinem Großen Laufbuch entnehmen (S.305-310).
Viel Erfolg!
Herbert Steffny
Ergänzende Frage: Marathonlauf bei Wärme