Interview mit Julien Wanders
Herbert Steffny besuchte ihn in Iten / Kenia

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Interview mit Julien Wanders
Motivation, Training und Ziele des Schweizer Supertalents

(26.2.2019 von Herbert Steffny in Iten / Kenia)

Der neue Schweizer Langstreckenstar Julien Wanders wirkt im Alltag bescheiden, ja fast schüchtern. Aber für sein Training hat der erst 22-Jährige klare Vorstellungen und für seine Rennen setzt er sich nur die höchsten Ziele. Auf die Frage eines Reporters, was er nach seinem Erfolg beim Halbmarathon in Ras al-Khaimah davon halte mit 59:13 Minuten nun der schnellste Weiße zu sein, antwortete das Supertalent schlichtweg: Ich möchte überhaupt der Schnellste werden! Bereits mit 18 Jahren ging Wanders ins Läuferland Kenia und lebt heute im Höhenzentrum Iten in 2300 Meter Höhe. Herbert Steffny der selbst bereits 1988 in Iten als Pionier trainierte, sprach mit dem Schweizer in Kenia über seine Motivation, Training und zukünftige Ziele.


Julien Wanders und Freundin Kolly in Iten Kenia
Julien Wanders in seiner Wahlheimat Iten im Hochland von Kenia mit seiner Freundin
Kolly, die dort das Midland Cafe betreibt.

 

Woher kommt Dein Talent für das Laufen?

Ich weiß es auch nicht so genau, meine Eltern haben kein besonderes Talent für Sport. Aber sie spielen beide Violine und da habe ich vielleicht deren Disziplin geerbt, fleißig zu trainieren. Als Kind habe ich in Genf am Course de l`Escalade Rennen teilgenommen, aber ich kam nicht unter die ersten hundert. Mein Vater hatte mich angemeldet und ich hatte keine Ahnung wie man Rennen läuft. Meine Schwester lief vor kurzem 1:35 Stunden im Halbmarathon ohne viel zu trainieren. Irgendwo muss da doch etwas Talent sein.

Hast Du einen Traumberuf?

Nein, ich wollte immer ein guter Sportler werden, wusste aber nicht welcher Sport. Ich habe mich dann einfach für Laufen entschieden.

Gibt es irgendwelche Hobbies neben dem Laufen?

(… zögert)… nein keine Briefmarkensammlung, Laufen ist wirklich mein Hobby (lacht).

Hast Du ein sportliches Vorbild?

Ja, Kenenisa Bekele und auch Roger Federer.

Wie kommt man darauf bereits mit 18 Jahren nach Kenia zu gehen?

Die kenianischen Läufer haben mich immer fasziniert. Meine Eltern wollten das auch nicht verhindern, aber ich musste zuerst mein Abitur abschließen. Ich schrieb zum Thema: „Warum beherrschen die Kenianer die Langstreckenläufe?“ Ich war damals 17 Jahre. Ich hatte zuvor darüber viele Bücher dazu gelesen.

Wie oft bist Du eigentlich in Kenia bzw. in Europa?

Ich bin rund neun Monate im Jahr in Iten. Nach Europa gehe ich nur für Rennen, aber im Sommer schon länger für zwei bis drei Monate ins Höhentraining nach St. Moritz zur Vorbereitung der Bahnsaison.

Du lebst hier in einem Haus mit Deiner kenianischen Freundin Kolly?

Ja, ich habe ein Häuschen mit zwei Zimmern angemietet.

Ist sie auch eine Läuferin?

Nein, sie hat ein Restaurant in Iten und arbeitet als Englisch-Lehrerin.

Wer ist Dein Trainer?

Marco Jäger ist mein Trainer von Stade Genève. Ich kenne hier auch Renato Canova, von dem wir uns gelegentlich beraten lassen, da mein Trainier nie einen Athleten auf internationalem Level betreut hat. Aber Canova war nie mein Trainer.

Trainierst Du mit einer Gruppe?

Ich habe meine eigene Gruppe, die ich leite. Da sind noch keine großen Namen dabei, aber wir sind im Kommen, sozusagen die Underdogs.


Julien Wanders beim Training
Morgentraining - Julien Wanders hat seine eigene Trainingsgruppe in Iten.



Was ist für Dich das Geheimnis der kenianischen Wunderläufer, ist es das Talent?

Nein. Das glaube ich nicht. Meiner Meinung nach liegt der Schlüssel in der Kindheit, in der Bewegung, die ihnen die Stärke gibt und das Aufwachsen in der Armut. Sie jammern und beschweren sich nicht so viel.



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Wie sieht Dein Training aus, wo Du Dich nun auch auf längere Distanzen wie Halbmarathon vorbereitest?

Ich trainiere zweimal täglich und am Wochenende bei der langen Einheit nur einmal. Da kommen so 180 bis 190 Kilometer zusammen. Die meisten hier trainieren wie Marathonläufer über den Winter und spezialisieren sich dann auf den Wettkampfhöhepunkt.

Was hast Du mental hier von den Kenianern gelernt?

Zu glauben, dass alles möglich ist. In Europa gibt man sich damit zufrieden der Beste im Land zu sein, aber hier ist der Beste dein Nachbar und der ist Weltmeister. Hier habe ich auch gelernt mehr auf mein Körpergefühl zu hören und nicht stur nach der Uhr zu trainieren. Da bin ich kein großer Freund von. Trainingsmethodisch können sie immer noch von uns lernen, die meisten vernachlässigen das Krafttraining und sie machen nicht genug Schnelligkeitstraining, wie man an den verlorenen Spurts bei Meisterschaften sieht, aber mental können wir nur von ihnen lernen.


Julien Wanders Halbmarathon Europarekordler
Der Schweizer Julien Wanders stellte in Ras al-Khainah einen neuen Europa-
Rekord über Halbmarathon auf und entthronte keinen geringeren als Mo Farah.


Wie sieht es mit deinem Marathondebüt aus?

Ich möchte mich zunächst noch auf die Bahn konzentrieren. Die Zeiten über 1500 Meter 3:43 Minuten als amtierender Schweizer Meister oder 13:21 Minuten auf der Bahn über 5000 Meter sind noch ausbaufähig. Den Halbmarathon habe ich als Test aus dem umfangorientierten Wintertraining mitgenommen. Die kurzen Distanzen wie 1500 Meter helfen mir sicherlich später auch für den Marathon. Da traue ich mir durchaus unter 3:35 Minuten zu. Gebreselassie, Bekele, Farah und auch Kipchoge konnten alle auch schnelle 1500 Meter laufen. In Tokio möchte ich bei den Olympischen Spielen 5000 und 10000 Meter für die Schweiz laufen und danach Marathon ausprobieren.

Wo könnte das sein?

Auf jeden Fall ein schneller Kurs unter den großen Marathons. London oder auch der schnelle Kurs von Berlin käme in Frage. Berlin liegt aber im September noch etwas nahe an der Bahnsaison.

Was vermisst Du in Kenia?

Meine Familie und meine Vereinskameraden, manchmal auch das Essen, den Käse. Ich liebe Käse, wenn möglich bringe ich mir immer etwas mit. Schokolade findet man mittlerweile auch hier in Eldoret. Wenn ich in die Schweiz nachhause komme, liebe ich Pasta mit Käse.

Und Wein zum Käse?

… nein ich trinke keinen Alkohol.

Aus Askese und Disziplin?

Nein, ich habe nie Alkohol getrunken.

Hättest Du noch einen Rat für die Lauftalente zuhause?

Glaube an Dich selbst und vermeide negative Personen in Deinem Umfeld. Und Du musst etwas riskieren, keine halben Sachen neben dem Job machen und 100 Prozent investieren. Wenn das klappt, dann klappt das eben, und wenn nicht, dann hast Du es wenigstens versucht.



Laufbericht - Als Pionier 1988 in Iten/Kenia

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