Leichtathletik EM - Barcelona 2010
ErgebnisseAutor und Copyright: Herbert Steffny
Sie können gerne hierhin verlinkenLeichtathletik Europameisterschaften in Barcelona 2010
Der Brite Mo Farah spielte mit der
Konkurrenz und war über 10.000
Meter nicht zu schlagen.
Jan Fitschen und Filmon Ghirmai
lagen bei der Hälfte sogar in Führung.
Ergebnisse:
1. FARAH, Mo GBR 28:24.99 2. THOMPSON, Chris GBR 28:27.33 3. MEUCCI, Daniele ITA 28:27.33 4. LAMDASSEM, Ayad ESP 28:34.89 5. CASTILLEJO, Carles ESP 28:49.69 6. BELZ, Christian SUI 28:54.01 7. LALLI, Andrea ITA 29:05.20 8. EL KALAY, Youssef POR 29:07.61 9. GLATTING, Christian GER 29:09.84 10. MEFTAH, Abdellatif FRA 29:14.74 11. CHABOWSKI, Marcin POL 29:15.65 12. FITSCHEN, Jan GER 29:16.59 13. UTRIAINEN, Jussi FIN 29:16.87 14. MOEN, Sondre Nordstad NOR 29:19.63 15. GHIRMAI, Filmon GER 29:28.31 16. RAHAUTSOU, Stsiapan BLR 29:40.19 17. RÄSÄNEN, Matti FIN 29:45.95 18. SHAPOVALOV, Pavel RUS 29:50.02 19. ROCHA, José POR 29:50.41 20. TESSEME, Moges ISR 29:50.78 21. IONESCU, Marius ROU 30:21.76 22. KOYUNCU, Kemal TUR 30:28.83 PENAS, Manuel Ángel ESP DNF RIZKI, Monder BEL DNF SCHMID, Michael AUT DNF SILVA, Rui Pedro POR DNF Zwischenzeiten:
1000m RAHAUTSOU, Stsiapan 2:59.70 2000m RAHAUTSOU, Stsiapan 5:52.04 3000m SHAPOVALOV, Pavel 8:46.91 4000m LAMDASSEM, Ayad 11:46.82 5000m MEFTAH, Abdellatif 14:38.10 6000m MEFTAH, Abdellatif 17:27.10 7000m THOMPSON, Chris 20:16.68 8000m FARAH, Mo 23:03.86 9000m LAMDASSEM, Ayad 25:48.83 10.000 Meter Männer (27.7.2010, 21.05 Uhr) Steigerungslauf zum britischen Doppelsieg
Das Rennen war richtig spannend und teilweise sogar unterhaltsam! Doch der Reihe nach: drei Deutsche schafften die Teilnahme über die 10.000 Meter Distanz und - um es vorweg zu nehmen - sie zogen sich ordentlich aus der Affäre. Dass der Europameister Jan Fitschen seinen Titel abgeben müsste, war abzusehen. Nach zweijähriger verletzungsbedingter Laufpause war sein Come-back alleine schon eine anerkennenswerte Leistung. 26 Läufer stellten sich bei rund 26 Grad und schwachem Wind dem Starter. Unterwegs gab es Wasserflaschen zur Kühlung, von denen auch rege Gebrauch gemacht wurde.
Nach dem Startschuss bummelte das Feld zunächst in 71er bis 72er Runden, sodass sich die Athleten im Pulk auf die Füße traten. Jan Fitschen kam dabei sogar ins Straucheln. Nach knapp 3:00 Minuten für den ersten Kilometer machte der Russe Pavel Shapovalov zunächst etwas mehr Tempo. Favorit Mo Farah aus Großbritannien trödelte am Ende des Feldes. Ihm durfte angesichts des geplanten Doppelstarts auch über 5.000 Meter alles andere als ein knallhartes Tempo recht gewesen sein. Filmon Ghirmai aus Tübingen sortierte sich bei seinem erst dritten 25 Runden Rennen weiter vorne, Christian Glatting und Jan Fitschen weiter hinten ein. Bei 3.000 Meter die in 8:46 Minuten passiert wurden geht Mo Farah, ein gebürtiger Somalier lachend nach vorne, überlässt dann aber den Spaniern die Führung. Es folgt ein langsamer 3:00 Minuten Abschnitt. Nun reicht es Jan Fitschen, der ganz nach vorne eilt und mit Filmon Ghirmai einige 68er Runden einstreut. Ohne Kampf wollte der Wattenscheider seinen Titel offenbar nicht abgeben. Doch das war sein letzter Kraftakt. Der 23-jährige Glatting blieb bei seiner ersten internationalen Meisterschaft weiter hinten.
5.000 Meter werden in 14:38 Minuten durchlaufen. Es war klar, es würde noch viel schneller werden. Der Franzose Abdellatif Meftah verschärft das Tempo etwas, das Feld reisst auseinander. Ghirmai läuft in der ersten, Fitschen in der zweiten und Glatting in der letzten Gruppe. Bei 6.000 Meter verschärfen die beiden Briten und Europa-Jahresschnellsten Mo Farah und Chris Thompson das Tempo weiter. Ghirmai fällt an das Ende einer 10-köpfigen Spitzengruppe zurück. Weiter hinten schließt Glatting nun zu Fitschen auf. Die Fahrt verschärft sich bis 8.000 Meter weiter auf einen 2:49er und einen 2:47er Kilometer. Mo Farah führt vor dem Spanier Ayad Lamdassem, dahinter reisst eine 10 Meter Lücke zu Thompson auf. Unterdessen hat Glatting den ermüdenden Ghirmai überholt. Als Lamdassem, ein gebürtiger Marokkaner nur hinter Mo Farah lauert, geht der Brite auf Bahn zwei, verlangsamt die Fahrt und fordert den Neu-Spanier taktisch geschickt auf, dass der auch mal vorne laufen sollte.
Nachdem Lamdassem regelrecht in die Führungsrolle gedrängt wurde, kamen die Verfolger wieder ein wenig näher. Dennoch war der Abschnitt von 8.000 auf 9.000 Meter in 2:44 Minuten der bisher schnellste Kilometer. Mo Farah dreht sich um, gestikuliert und winkt nach hinten, nach meiner Ansicht, um Landsmann Thompson zu ermutigen aufzuschließen. In der letzten Runde greift Farah bei einem Überholvorgang unwiderstehlich an und läuft sich bis 200 Meter vor dem Ziel schnell einen Vorsprung von 20 Metern heraus, den er bis zum Zielstrich auch nicht mehr abgibt. Dahinter jagen Thompson und der Italiener Daniele Meucci im Kampf um die Medaillen an dem Spanier vorbei. Thompson wird auf dem Zielstrich fast noch vom Italiener abgefangen. Das Zielfoto gibt dem Briten Silber und Meucci zeitgleich Bronze. Ayad Lamdassem brach auf der Zielgeraden physisch und mental ein. Als vollkommen enttäuschter Vierter ging er über die Ziellinie.
Die letzte Runde von Farah war in 57 Sekunden, der letzte Tausender in 2:36 Minuten. Hinterher lief er mit der britischen Fahne zusammen mit Chris Thompson eine Ehrenrunde. Mit der ebenfalls mitgebrachten und nur zögerlich ausgerollten Flagge Somalias traute sich Farah dann doch nicht. Bester aus dem deutschsprachigem Raum war der Schweizer 10.000 Meter Rekordler Christian Belz als Sechster. Christian Glatting, der mir schon bei der deutschen Crossmeisterschaft als kluger Taktiker auffiel, arbeitete sich noch auf Platz neun vor. "Damit bin ich sehr zufrieden. Mit Platz neun habe ich nie gerechnet." Fitschen rackerte sich noch auf Platz 12 und war ebenfalls zufrieden, da er auch nicht mehr erwarten konnte. 10.000 Meter Novize Filmon Ghirmai musste letzlich für das mutige Mitgehen in der Frontgruppe noch ein wenig Lehrgeld zahlen. Aber vielleicht liegt sein Talent auch jenseits der 10.000 Meter beim Halbmarathon oder sogar Marathon. Klein und leicht ist er und Grundschnelligkeit hat er genug. Jan Fitschen hat seinen Umstieg auf den Marathon bereits angekündigt. Dann fehlen uns zwar die 10.000 Meter Läufer, aber die unsäglich Männer Marathon Misere könnte ein Ende finden...
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Sabrina Mockenhaupt lief als Sechste
gut, blieb aber im Soll. Aus einer von
den Fans und Medien erhofften Medaille
wurde nichts. Immerhin war die
Marathonläuferin drittbeste
weiße Europäerin.
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)
Ergebnisse:
1. ABEYLEGESSE, Elvan TUR 31:10.23 2. ABITOVA, Inga RUS 31:22.83 3. AUGUSTO, Jessica POR 31:25.77 4. KIBET, Hilda NED 31:36.90 5. ERDOGAN, Meryem TUR 31:44.86 6. MOCKENHAUPT, Sabrina GER 32:06.02 7. SOKOLOVA, Yelena RUS 32:36.71 8. PAPP, Krisztina HUN 32:49.05 9. FÉLIX, Dulce POR 33:12.93 10. KUDZELICH, Sviatlana BLR 33:31.33 11. STRÄHL, Martina SUI 33:37.89 12. MARTÍN, Jacqueline ESP 34:11.49 13. ERDÉLYI, Zsófia HUN 34:57.77 DAL RI, Federica ITA DNF MOREIRA, Sara POR DNF MØLLER, Maria Sig DEN DNF GRØVDAL, Karoline Bjerkeli NOR DNF SHOBUKHOVA, Liliya RUS DNF Zwischenzeiten:
1000m SHOBUKHOVA, Liliya 3:11.32 2000m SHOBUKHOVA, Liliya 6:23.44 3000m AUGUSTO, Jessica 9:34.00 4000m ABEYLEGESSE, Elvan 12:40.53 5000m ABEYLEGESSE, Elvan 15:42.27 6000m ABEYLEGESSE, Elvan 18:45.91 7000m ABEYLEGESSE, Elvan 21:50.71 8000m ABEYLEGESSE, Elvan 24:59.60 9000m ABEYLEGESSE, Elvan 28:08.61 10.000 Meter Frauen (28.7.2010, 21.05 Uhr) Türkin Abeylegesse gewinnt kleine Afrikameisterschaft
Es war der Tag der Entscheidungen auf der kürzesten und längsten Bahndistanz in Barcelona. Im 100 Meter Sprint zeigte der weißhäutige Franzose Christophe Lemaitre, dass es nicht an der Hautfarbe liegen muss, ob man ein Sprinterkönig werden kann. Der eher schmächtig wirkende weiße Blitz, der in diesem Jahr als erster Weißer überhaupt mit 9,98 unter zehn Sekunden blieb, distanzierte im Finale in 10,11 Sekunden die Phalanx der dunkelhäutigen Kraftboliden. Allen voran den nur fünftplatzierten und mit Dopingvergangenheit behafteten Muskelprotz Dwain Chambers (GBR). Was der 20-jährige Abiturient aus Frankreich schaffte, gelang zuletzt dem Ostdeutschen Frank Emmelmann im Jahre 1982. Seit 1984 war übrigens auch kein Weißer mehr in einem olympischen 100 Meter Finale. Und genau das ist das Ziel Lemaitres: um die Medaillen bei Olympia über 100 Meter mitzulaufen. Na also es geht doch!
Im Sprint hat man sich längst daran gewöhnt, dass selbst bei Europameisterschaften Läufer mit afrikanischen Wurzeln dominieren. Im Langstreckenlauf ist das Phänomen etwas jünger. Fast schon normal ist es, dass für Frankreich, Belgien oder neuerdings auch Spanien Läufer nordafrikanisch-maghrebinischen Ursprungs auf die Medaillenjagd gehen. Die Teilnahme von eingebürgerten Ostafrikanern aus Äthiopien, Kenia oder Somalia, die neuerdings für die Türkei, Niederlande oder Großbritannien laufen, hinterlässt den Eindruck, dass neben den echten Afrikameisterschaften (die übrigens gerade zeitgleich in Nairobi ausgetragen werden) durch die Hintertür in Barcelona gewissermaßen "kleine Afrikameisterschaften" ausgetragen werden.
Sabrina Mockenhaupt gab im Interview zu Protokoll, dass alles besser als Platz sechs bei der EM für sie eine Zugabe sei. Es gab keine Zugabe, denn es wurde Platz sechs! Das ist allerdings eine gute Leistung der kleinen Siegerländerin, die rund 6.000 Meter im Alleingang zwischen den Gruppen ihr eigenes Rennen laufen musste. Bereinigt man im Nachhinein das Ergebnis auf die Läuferinnen europäischen Ursprungs, so wäre "Mocki" Dritte geworden. Sie selbst will sich wie Lemaitre auf diese "Hautfarbendiskussion" aber nicht einlassen. "Ich muss damit leben, ich kann ja nicht Trübsal blasen!" Immerhin konnte die derzeit beste deutsche Langstrecklerin die Marathon Jahresbeste und Mitfavoritin Liliya Shobukhova hinter sich lassen, die mit enttäuschender Leistung ausstieg. Lemaitre glaubt nicht an die genetischen Vorteile der Afrikaner, es sei viel mehr Entschlossenheit, eine Frage der sozialen Herkunft und Fleiß. Der Meinung hab ich mich schon lange auch für den Langstreckenlauf angeschlossen:
Meinung: Warum lahmt der weiße Mann hinterher?
Ich hatte in meiner Vorschau einen Sturmlauf der äthiopisch-stämmigen Türkin Elvan Abeylegesse erwartet. Am Ende würde die auf Silbermedaillen spezialisierte kleine Läuferin vielleicht wieder im Spurt unterlegen sein. Ich sollte nur teilweise recht haben. Nach einem verhaltenenen Beginn bei 26 Grad und leichtem Wind kam der zu erwartende Angriff von Abeylegesse nach 2.500 Metern. Das Tempo war aber mit 75er bis 76er Runden noch nicht wirklich scharf. Die Portugiesinnen Jessica Augusto und Sara Moreira reihten sich dahinter ein. Bei 4.000 Meter kristallisierte sich vorne unter dem Diktat der türkischen Lokomotive eine Sechsergruppe heraus, zu der neben Augusto auch Abeylegesses Landsfrau Meryem Erdogan, ebenfalls äthiopischen Ursprungs gehörte. Noch dabei war auch die Titelverteidigerin Inga Abitova aus Russland und die für die Niederlande startende Kenianerin Hilda Kibet. Nach einem scharfen Kilometer in 3:02 Minuten passierte die schmächtige, immer leicht nach vorne hängende Abeylegesse 5.000 Meter in 15:42 Minuten und setzte sich dann von Erdogan ab. Mocki lag zu diesem Zeitpunkt rund 40 Meter dahinter auf der siebten Position und damit keineswegs aussichtslos. Die zu Beginn vorne laufende Russin Shobukhova konnte erstaunlicherweise das Tempo längst nicht mehr mitgehen.
Das weitere Rennen war weniger spannend wie bei den Männern am Vortag, denn von nun an wechselten nur noch hinter der dominierenden Türkin die Positionen. Elvan Abeylegesse holte sich in 31:10,23 überlegen ihren ersten internationalen Titel. Sie lief die zweite Hälfte erwartungsgemäß in 15:28 Minuten deutlich schneller. Augusto lieferte sich mit Abitova einen Kampf um die Medaillen, den letztlich die Russin für sich entscheiden konnte. Hilda Kibet konnte sich noch auf den vierten Platz vorschieben und Erdogan fiel zwar auf den fünften Platz zurück, lief aber trotz der Wärme mit 31:44,86 immerhin noch persönliche Bestzeit. Mocki kam nach langem Sololauf in 32:06,02 Minuten als Sechste mit einer halben Minute Vorsprung auf die siebtplazierte Russin Yelena Sokolova ein. Die Schweizerin Martina Strähl wurde Elfte in 33:37,89 Minuten. Fünf von 18 Starterinnen beendeten das Rennen vorzeitig. Bleibt abzuwarten, ob Abeylegesse nun auch über 5.000 Meter noch Gold erlaufen wird.
Fight um die Medaillen - Carsten
Schlangen holte erst überraschend
die Silbermedaille...
...dann knutschte der Berliner mit
dem EM Maskottchen!
Ergebnisse:
1 CASADO, Arturo ESP 3:42.74 2 SCHLANGEN, Carsten GER 3:43.52 3 OLMEDO, Manuel ESP 3:43.54 4 ESTÉVEZ, Reyes ESP 3:43.67 5 KOWAL, Yoann FRA 3:43.71 6 BADDELEY, Andy GBR 3:43.87 7 OBRIST, Christian ITA 3:43.91 8 DEMCZYSZAK, Mateusz POL 3:44.42 9 MCCOURT, Colin GBR 3:44.78 10 LANCASHIRE, Tom GBR 3:44.92 11 VOJTA, Andreas AUT 3:45.68 12 NAVA, Goran SRB 3:45.77 1.500m Männer (30.7.2010, 22.00 Uhr) Schlangen verhindert sensationell spanischen Dreifachsieg
Vor vier Jahren sorgten noch Ulrike Maisch und Jan Fitschen im Marathon und 10.000 Meterlauf als Überraschungs-Europameister für die Sensation in Göteborg. Das konnte man diesmal von keinem Mittel- oder Langstreckenläufer erwarten. Aber Überraschung ist eben Überraschung und für die sorgte der Berliner Carsten Schlangen. Schon im Vorlauf verhielt er sich taktisch geschickt.
Im Finale hielt sich der 29-Jährige immer in der vorderen Hälfte auf. Das Tempo, das der Spanier Reyes Estevez einschlug war ziemlich moderat, bei 800m nur 2:08,65 Minuten. Es musste also auf einen heißen Spurt in der letzten Runde hinauslaufen. Der Brite Tom Lancashire zog bereits 500 Meter vor dem Ziel einen langen Spurt an. Eingangs der letzten Runde war Schlangen mitten im Läuferpulk erst eingeklemmt, fand aber auf der Gegengrade das Loch und kam auf der zweiten Bahn in aussichtsreicher Position auf die Zielgerade.
Während der Spanier Arturo Casado unter dem Jubel seiner Landsleute auf den Tribünen uneinholbar dem Sieg zuflog, biss der Berliner, der an sich glaubte, mit weit aufgerissenen Augen auf die Zähne, schob sich von hinten an Estevez und dem Europajahresschnellsten Andy Baddeley vorbei und konnte hauchdünn noch den Angriff des Spaniers Manuel Olmedo abwehren, indem er sich ins Ziel nach vorne warf. Mit zwei Hundertstel Vorsprung holte Schlangen mit Silber die siebte Medaille für den Deutschen Leichtathletik Verband. Damit rettete Schlangen auch die Ehre der deutschen Männer, denn bis dahin waren sechs Medaillen nur von Frauen erzielt worden.
Dem dritten Spanier Reyes Estevez blieb nur der vierte Platz. Die drei Briten gingen komplett leer aus. Der Sieger Casado rannte die letzten 400 Meter in sehr schnellen 52 Sekunden. Schlangen benötigte 52,3 Sekunden. Der Dritte Manuel Olmedo war zwar mit 51,9 noch schneller, musste aber taktisch nicht sehr klug laufend in der letzten Runde auf Schlangen zuviel Boden gut machen. Der neue Vize-Europameister hatte im Training speziell mit Sprínttraining auf Rasenboden an seinem Finish gearbeitet. Das zahlte sich an diesem Abend in dem Bummelrennen mit superschnellem Finish offenbar aus.
Die "alte" Europameisterin Ulrike Maisch war
als Läuferin nicht mehr dabei, stand der
ARD aber als Expertin bei der
TV-Berichterstattung zur Seite.
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)
Die "neue" Europameisterin aus Litauen
Zivile Balciunaite trat bei 29 Kilometern
beherzt an und niemand konnte ihr
mehr folgen!...*Ihr Dopingfall: hier
(Foto, Copyright Herbert Steffny)
Ergebnisse:
1 BALCIUNAITE, Zivile * LTU 2:31:14 2 YULAMANOVA, Nailya * RUS 2:32:15 3 INCERTI, Anna ITA 2:32:48 4 FILONYUK, Tetyana UKR 2:33:57 5 ANDERSSON, Isabellah SWE 2:34:43 6 JEVTIC, Olivera SRB 2:34:56 7 AGUILAR, Alessandra ESP 2:35:04 8 BARROS, Marisa POR 2:35:43 9 TIMOFEYEVA, Irina RUS 2:35:53 10 CONSOLE, Rosaria ITA 2:36:20 11 SKVORTSOVA, Silviya RUS 2:36:31 12 SIMON, Lidia ROU 2:36:52 13 TONIOLO, Deborah ITA 2:37:10 14 ROSS-COPE, Michelle GBR 2:38:45 15 DRAZDAUSKAITE, Rasa LTU 2:38:55 16 PARTRIDGE, Susan GBR 2:39:07 17 ROS, Beatriz ESP 2:40:10 18 DIAS, Ana POR 2:41:02 19 OTTERBU, Kirsten Melkevik NOR 2:42:24 20 RUSH, Holly GBR 2:42:44 21 DECKER, Helen GBR 2:43:00 22 TANKO-KLYMENKO, Svitlana UKR 2:43:35 23 VON SCHENCK, Anna SWE 2:43:36 24 ROBINSON, Rebecca GBR 2:44:06 25 WILKINSON, Jo GBR 2:44:11 26 DANIELSEN, Kjersti Karoline NOR 2:45:00 27 NEUENSCHWANDER, Maja SUI 2:45:17 28 DANILOVA, Yevgeniya RUS 2:46:21 29 PLAKSINA, Margarita RUS 2:47:26 30 HOLTH, Christina Bus NOR 2:48:15 31 BILOSHCHUK, Olena UKR 2:51:21 32 SAFAROVA, Gezashign AZE 2:51:59 33 GAVELIN, Lena SWE 2:53:13 34 KERGYTE, Remalda LTU 2:55:12 35 GRANDOVEC, Daneja SLO 3:07:51 36 OVCHARUK, Vira UKR 3:09:27 PERUNOVIC, Sladjana MNE DNF ROSA, Mónica POR DNF PUSHKAREVA, Tatyana RUS DNF MORCELI, Patricia SUI DNF JARZYNSKA, Karolina POL DNF CÎRLAN, Daniela ROU DNF RIBEIRO, Fernanda POR DNF * im Nachhinein wegen Dopings disqualifiziert worden
Marathon Frauen (31.7.2010, 10.05 Uhr) Aussenseiterin Zivile Balciunaite* mit hartem Antritt zu Gold
Ich bin schon in meiner Vorschau auf die Unsitte eingegangen, den Marathonlauf als Sightseeing Event für die Stadt Barcelona zu mißbrauchen u.a. mit der Konsequenz, dass es ein Hitzerennen geben wird. Bei 27 Grad und voller Sonne starteten 45 gemeldete Läuferinnen auf dem vierfach zu durchlaufenden Rundkurs vorbei an Stierkampfarena, Bauten des Architekten Gaudi, Kolumbusstatue, Triumpfbogen u.a. Sehenswürdigkeiten in der Innenstadt. Es fehlten die drei Schnellsten der Europajahresbestenliste, die Russinnen Liliya Shobukhova und Inga Abitova konzentrierten sich auf den 10.000 Meterlauf, wo sich Abitova immerhin als Titelverteidigerin Silber holen konnte. Shobukhova wird sich wahrscheinlich auf den World Majors Marathon Jackpot in Höhe von 500.000 Dollar konzentrieren und im Herbst erst wieder ernsthaft über Marathon starten, um ihre Führung in dieser Wertung zu verteidigen. Weltrekordlerin Paula Radcliffe aus Großbritannien konnte wegen ihrer zweiten Schwangerschaft natürlich nicht antreten. Preisgelder lobt der europäische Leichtathletik Verband im Gegensatz zu den Weltmeisterschaften übrigens nicht aus. Deutsche Läuferinnen waren nicht am Start. Ein ebenfalls in meiner Vorschau bereits abgehandeltes Thema. Neben der Einzelwertung wurde auch eine Nationen Team Wertung ausgetragen.
Zu erwarten war ein verhaltener Beginn mit einer Steigerung zum Finale. Die Portugiesin Marisa Barros, eine 2:25 Stunden Läuferin und die erfahrene Weltmeisterin von 2001 Lidia Simon aus Rumänien liefen nach den ersten fünf Kilometern in moderaten 18:22 Minuten an der Spitze einer rund 15-köpfigen Spitzengruppe. Die verdeckter laufenden Russinnen waren darin in voller Mannschaftsstärke als Quartett vertreten. Mit einem Sieg von Barros würde die Portugiesin an die drei Europameistertitel 1982 bis 1990 der in den 80 und anfangs der Jahre dominierenden Landsfrau Rosa Mota anknüpfen, die 1988 in Seoul zudem Olympiasiegerin wurde. Von bisher sieben Europameistertiteln holte Portugal fünf, denn Manuela Machado siegte darüber hinaus in den Jahren 1994 und 1998. Barros und Simon zogen das Tempo bis zur 10 Kilometer Marke (36:02 Minuten) deutlich an, das "Feld" hinter der 15-köpfigen Spitze bestand entsprechend nur noch aus Grüppchen und einer Perlenkette von Einzelläuferinnen. Das Tempo lief zu diesem Zeitpunkt auf eine Endzeit von 2:32 Stunden hinaus.
Bei 15 Kilometern 54:11 lag immer noch eine 14-köpfige Gruppe mit allen Favoritinnen zusammen, darunter auch mein Aussenseitertipp Isabellah Anderson aus Schweden, einer gebürtigen Kenianerin, die nach Schweden einheiratete und das Laufen danach erst in Skandinavien gelernt hat(!). Neben den vier Russinnen waren auch die Italienerinnen noch mit zwei 2:26 bis 2:27 Stunden Läuferinnen Rosaria Console und Anna Incerti vertreten. Nachdem sich Ulrike Maisch als Titelverteidigerin nicht mehr qualifizieren konnte, war immerhin die Vize-Europameisterin Olivera Jevtic aus Serbien noch vorne mit dabei. Bis Halbmarathon (1:16:24 Stunden) wurde es eher ein wenig langsamer. Hinter der nach wie vor führenden Portugiesin Barros und Lidia Simon folgte immer noch dasselbe lauernde Dutzend Läuferinnen. Klar, dass es noch schneller werden musste. Bei 25 Kilometern (1:30:47 Stunden) zeigten sich die beiden Italienerinnen neben Barros ohne das Tempo zu beschleunigen an der Spitze. Das Feld reduzierte sich bei mittlerweile 28 Grad aber teilweise Schatten in den Häuserschluchten und aufkommenden Bewölkung auf nur noch 11 Läuferinnen, darunter immer noch drei Russinnen.
Bei 29 Kilometern trat dann Zivile Balcuinaite überraschend an. Niemand in der Spitzengruppe reagierte. Die Litauerin hatte bei 30 Kilometern (1:48:38 Stunden) bereits 19 Sekunden Vorsprung auf die beiden Italienerinnen und Isabellah Anderson, die eine sechsköpfige Verfolgergruppe anführten. Barros und Simon fielen zurück, von den Russinnen konnte nur noch Naiyla Yulamanova folgen. Ebenso die Ukrainerin Tetyana Filonyuk und Olivera Jevtic. Balciunaite ist bei uns keine Unbekannte startete sie bereits in Hamburg, Berlin und Frankfurt. Ihre Bestzeit von 2:25:15 Stunden stammt aus dem Jahr 2005. Bei der EM 2006 in Göteborg wurde sie Vierte, sollte es diesmal eine Medaille oder sogar Gold werden? Ein großer Erfolg ist der noch konzentriert laufenden Litauerin bisher noch nicht gelungen. Hinter der 31-Jährigen machten sich unterdessen Yulamanova und Incerti bei bedecktem Himmel auf die Verfolgung. Die Kilometer 35 Marke passierte Balciunaite in 2:06:13 Stunden und 35 Sekunden vor Anna Incerti und der Russin. Dieser flotte 5-km Abschnitt in flotten 17:35 Minuten brach der Konkurrenz das Genick! Andersson, Console und Filonyuk bildeten dahinter eine Gruppe im Kampf um Platz vier.
Mit einer Trinkflasche in der Hand und sich Wasser übergießend kämpfte sich die Litauerin auf den letzten Kilometern durch. Ihr Laufstil verriet, dass sie offenbar noch genügend Reserven aufbewahrt hatte, obwohl sie sich immer wieder nach der Konkurrenz umdrehte. Unterdessen löste sich Yulamanova von Incerti. Bei 40 Kilometern (2:23:37 Stunden) hatte Balciunaite schon 50 Sekunden Vorsprung, die Goldmedaille war vergeben. Die Russin hatte sich dagegen 14 Sekunden Abstand auf die Italienerin erlaufen. Von hinten drohte aber auch auf die Bronze Medaille keine Gefahr mehr. Mit großem Vorsprung maß die Litauerin im Ziel erst mal ihren Puls, um dann den Trainer zu umarmen. Die Siegerzeit von 2:31:14 Stunden ist für die Bedingungen von letztlich 26 Grad bei leichter Bewölkung in Ordnung. Dieser Sieg bedeutete erst das zweite EM Gold für Litauen überhaupt. Lediglich dem Diskuswerfer Virgilius Alekna gelang bisher 2006 in Göteborg dieser Erfolg. Zweite wurde letztlich Nailya Yulamanova in 2:32:15 Stunden sicher vor Anna Incerti (2:32:48 Stunden). Auf dem undankbaren vierten Platz landete die Ukrainerin Filonyuk (2:33:57 Stunden) vor der Schwedin Isabellah Andersson (2:34:43 Stunden). Die lange führende Portugiesin Marisa Barros fiel noch auf den achten Platz in 2:35:43 Stunden zurück.
EM Medaillen Gewinner aller Zeiten
* Nachtrag (1.11.2011):
Marathon Europameisterin Zivile Balciunaite gedopt (1.11.2011)
Der litauische Leichtathletik Verband Zivile Balciunaite nach einer positiven Dopingprobe mit einer Schutzsperre belegt. In ihrem Urin wurden nach den Europameisterschaften erhöhte Werte der anabolen Hormone Testosteron und Epitestosteron gefunden. Dieser Befund erklärt auch die überraschende Absage der 31-Jährigen vor dem Frankfurt Marathon am 31.10.2010. Die Marathonläuferin betont ihre Unschuld und schiebt die Schuld auf die Einnahme von Medikamenten gegen Regelschmerzen. Ihr droht nun durch den internationalen Leichtathletik Verband eine Sperre von zwei Jahren.
Blöffte der Schweizer Viktor Röthlin im
Vorfeld des EM Marathons bei Vorbe-
reitungsrennen und deckte die Karten
nicht auf? In Barcelona gewann er über-
legen die Marathon Goldmedaille ausge-
rechnet am schweizer Nationalfeiertag!
(Foto, Copyright: Manfred Steffny
Laufmagazin Spiridon)
Ergebnisse:
1 RÖTHLIN, Viktor SUI 2:15:31 2 MARTÍNEZ, José Manuel ESP 2:17:50 3 SAFRONOV, Dmitriy RUS 2:18:16 4 PERTILE, Ruggero ITA 2:19:33 5 VILLALOBOS, Pablo ESP 2:19:56 6 IGLESIAS, Rafael ESP 2:20:14 7 BOURIFA, Migidio ITA 2:20:35 8 MERRIEN, Lee GBR 2:20:42 9 SOKOLOV, Aleksey A. RUS 2:20:49 10 FEITEIRA, Luís POR 2:21:28 11 ANDRIANI, Ottaviano ITA 2:21:32 12 GIZYNSKI, Mariusz POL 2:21:54 13 DEKKERS, Rens NED 2:22:03 14 VAN DEN BROEK, Hugo NED 2:22:06 15 KULKOV, Oleg RUS 2:22:24 16 WEBB, Dave GBR 2:23:04 17 RAYMAEKERS, Koen NED 2:23:24 18 WEIDLINGER, Günther AUT 2:23:37 19 ROBINSON, Dan GBR 2:24:06 20 CHAÍÇA, Alberto POR 2:24:14 21 PETERSSON, Erik SWE 2:24:29 22 ZWADYA, Wodage ISR 2:24:39 23 SETEGNE, Ayele ISR 2:26:26 24 MOREAU, Ben GBR 2:27:08 25 RYBALCHENKO, Oleksiy UKR 2:27:34 26 STITZINGER, Patrick NED 2:28:02 27 MATVIYCHUK, Vasyl UKR 2:28:26 28 WILLIAMS, Martin GBR 2:28:30 29 FAURSCHOU, Jesper Lind DEN 2:28:34 30 SVNECH, Dastaho ISR 2:28:36 31 CAIMMI, Daniele ITA 2:29:18 32 KOSMAC, Anton SLO 2:29:56 33 BERNADÓ LANAS, Toni AND 2:30:52 34 WEVE, Brihun ISR 2:31:47 35 KOBE, Primoz SLO 2:31:47 36 STERLUND, Kristoffer SWE 2:32:16 37 SCHRÖER, Ronald NED 2:33:18 38 ZEMIRO, Zohar ISR 2:36:58 39 TSCHOPP, Marcel LIE 2:37:14 40 KOTNIK, Robert SLO 2:40:57 41 DÍAZ, Javier ESP 2:42:41 42 MOREIRA, José POR 2:43:56 43 RAMIREZ BATOR, Ivan AND 2:51:42 44 PFLÜGL, Christian AUT 2:53:15 45 MANCHADO VILA, Alan AND 3:12:40 SAUTER, Tobias GER DNF DRACZYNSKI, Adam POL DNF CURZI, Denis ITA DNF CÁCERES, Ignacio ESP DNF SILVA, Fernando POR DNF ABRAMOV, Yuriy RUS DNF ITKOVSKYY, Oleksandr UKR DNF SZOST, Henryk POL DNF ALIYEV, Tilahun AZE DNF RÍOS, José ESP DNF BOUAFIF, Adil SWE DNF BECKMANN, Martin GER DNF SYLTA, Øystein NOR DNF JONES, Andi GBR DNF FERREIRA, Hermano POR DNF THEURI, James FRA DNF BALDINI, Stefano ITA DNF PRÜLLER, Florian AUT DNF ROYO LOZANO, Jordi AND DNF Marathon Männer (1.8.2010, 10.05 Uhr) Viktor Röthlin erweist sich als überlegener Hitzeläufer
Gleich nach dem Start zeigten sich die bekannten Namen (mehr in der Vorschau) an der Spitze der 64 Starter. Der bereits 39-jährige erfahrene Titelverteidiger Stefano Baldini aus Italien und seine Teamkameraden und der Vize-Europameister aus der Schweiz Viktor Röthlin mit Kühlaggregaten unter dem Trikot und unter den schwarzen Ärmlingen (lieber Viktor, wenn schon Perfektionist, dann bitte weiße Ärmlinge! Schwarz absorbiert nämlich die Wärme....;-)). Die Ärmlinge waren dann doch nach zwei Kilometern abgestreift und auffällig war, dass die Spanier, sonst mit roten Trikots laufend, für die Marathonläufer eigens weiße Singlets bereit hielten, die die Sonnenstrahlung besser reflektieren. Günter Weidlinger aus Österreich lief ebenfalls offensiv vorne mit und übrigens als einziger mit Stützstrümpfen (immerhin in weiß). Nachdem die Nasenpflasterwelle langsam abgeebbt ist, scheint sich die Industrie mit den Stützsocken europaweit noch nicht so recht durchzusetzen??? ;-))
Tempo machen wollte zunächst so recht keiner. Mal zeigte sich der Italiener Ruggero Pertile an der Spitze, mal Röthlin, Weidlinger oder sogar der sonst eher verdeckt laufende Baldini. Die Zwischenzeit von 16:35 Stunden, war auch unter Einrechnung der Temperaturen von 26 bis 28 Grad teils bedecktem, aber meist sonnigem Himmel, sehr verhalten und wäre auf eine Zeit von 2:19 hinausgelaufen. Martin Beckmann lag zu diesem Zeitpunkt an 31. Position. Tobias Sauter, der zweite deutsche Starter, der für einen Marathonläufer eigentlich einen zu langen Schritt läuft, lief noch weiter hinten. Bei 10 Kilometer (33:45 Minuten) lag der Russe Yuriy Abramov etwas voraus. Das ca. 25-köpfige Feld ließ ihn aber gewähren. Der zweite Abschnitt von 16:10 Minuten war bereits etwas flotter. Bei 15 Kilometern (48:40 Minuten) war sein Ausflug bereits Geschichte. Nun lag das Duo Röthlin und der Russe Dmitriy Safronov kurzzeitig an der Spitze einer ca. 14-köpfigen Spitze. Baldini lag am Ende dieser lang gezogenen Gruppe. Sollte der Titelverteidiger jetzt schon schwächeln? Der Abschnitt von 15:55 Stunden war erneut schneller und nun war man auf 2:15er Kurs. Martin Beckmann lag hier bereits 1:47 Minuten zurück auf dem 46. und Tobias Sauter auf dem 58. Platz schon rund 4:00 Minuten zurück.
Dmitriy Safronov forcierte weiter und riss das Feld auseinander. Nach einer Stunde bestand die 11-köpfige Spitze u.a. aus Safranov, Röthlin, dem Kenia-Franzosen James Theuri und noch drei Spaniern und drei Italienern. Baldini hatte den Anschluss leicht verloren, rackerte sich aber wieder heran. Bei 20 Kilometern (1:04:15 Stunden) gesellte sich Theuri zu Abramov an die Spitze. Der 5-Kilometerabschnitt war nun mit 15:35 Minuten der schnellste. Diesem Tempo fielen angesichts der Temperaturen weitere Läufer zum Opfer. Weidlinger fiel hinten raus und sollte nur auf den 18. Rang kommen. Mitfavorit Henryk Szost, ein 2:10 Läufer aus Polen und auch Baldinin stiegen aus und es kristallisierte sich bei Halbmarathon (1:07:43 Stunden) ein sechsköpfige Spitzengruppe heraus. Henry Theury, Dmitry Safranov, der immer aufmerksam mitlaufende Viktor Röthlin, der Spanier José Manuel Martinez, der Italiener Pertile.... Weidlinger war hier schon 13 Sekunden zurück.
Nach 25 Kilometern (1:20:09 Stunden) begann das Muskelspiel der verbliebenen drei Läufer mal machte Martinez Tempo, mal Röthlin oder Theuri und man belauerte sich, wie die Gegner reagieren würden. Bei 28 Kilometern attackierte Röthlin entscheidend und riss rasch ein Loch zu Martinez und Theuri, die auch nicht mehr lange zusammen liefen, denn Martinez gab sich noch nicht geschlagen und versuchte zu dem Schweizer Boden gut zu machen. Bei 30 Kilometern (1:35:58 Stunden) hatte Röthlin 11 Sekunden Vorsprung auf Martinez und 20 bzw. 22 Sekunden auf Theuri und Pertile, der sich wieder heranpirschte und den Franzosen bei 31 Kilometern stehen ließ und mit der zweiten Luft auch eingangs der letzten 10 Kilometer Runde den Spanier einholte. Doch Röthlin war hier bereits 40 Sekunden voraus. Würde der Vorsprung halten? Theuri wurde unterdessen durchgereicht und auch von Abramov überholt. Er sollte später entkräftet aussteigen. Neun Kilometer waren aber noch zu rennen. Röthlin machte an der Spitze zwar breit armschlenkernd, aber weiter einen guten Eindruck. Es hatte nicht den Anschein, als ob aus dem Kampf um Platz zwei noch eine Dynamik noch vorne entstehen würde. Martinez konnte sich aber wieder von Pertile lösen. Der Vorsprung Röthlins auf den Spanier wuchs bei 35 Kilometern auf eine Minute an. Pertile lag schon 1:38 Minuten zurück und musste nach zwei Stunden von Krämpfen geplagt sogar kurz stehen bleiben und nun seinerseits im Kampf um Bronze den von hinten aufkommenden Russen Safronov passieren lassen.
Viktor Röthlin zog vorne alleine im 19. Marathon seiner Karriere das Ding durch. Nur er selbst könnte noch den Sieg vermasseln. Martinez konnte den Abstand nicht mehr verkürzen. Im Gegenteil, bei 40 Kilometern (2:08:19 Stunden) war der von Betreuern immer gut informierte Schweizer bereits 1:58 Minuten auf den Spanier voraus. Safranov folgte als Dritter 2:47 Minuten dahinter. Die Medaillen waren vergeben. Vielleicht mauerte Viktor Röthlin auch im Vorfeld ein wenig, denn seine Wettkampfergebnisse waren nichts besonderes. Aber er zeigte mal wieder seine taktischen und organisatorischen Fähigkeiten als Hitzeläufer. Und: meiner Meinung nach hätte sich Röthlin bestimmt nicht dem Starter gestellt, wenn er nichts drauf hätte! Bei 42 Kilometern drehte sich der schweizer Vorzeigeathlet erstmals um, denn nun galt es den sicheren Sieg in Ruhe zu zelebrieren. Mit der Schweizer Fahne in der Hand über den Zielstrich laufend vergoldete der 35-Jährige am 1.8. den schweizer Nationalfeiertag in 2:15:31 Stunden. Es war der erste Europameisterschaftstitel in der Leichtathletik für die Eidgenossen seit dem Kugelstoßer Werner Günthör 1986 in Stuttgart. Endlich der erste große Titel für den Obwaldener Physiotherapeuten! Nach EM Silber und WM Bronze nun auch EM Gold! Eine komplette Sammlung.
Manuel Martinez jubelte unter dem Beifall seiner Landsleute über seinen zweiten Platz und Silber in 2:17:50 Stunden und immerhin schon 2:19 Minuten hinter dem Sieger. Überraschungsdritter wurde der Russe Safronov (2:18:16 Stunden), der Italiener Pertile biss sich noch in 2:19:33 Stunden als Vierter durch. Der Kraftakt zu Martinez bei 30 Kilometern aufzuschließen hat ihn wohl doch zuviele Körner gekostet. Nur fünf Läufer blieben bei den Hitzebedingungen unter 2:20 Stunden. Das ist wenig und in der Vergangenheit ist nicht zum ersten Mal bei Hitze gelaufen worden. Das Niveau der Marathon Europameisterschaft ist nicht mehr auf dem Level vergangener Jahre. Hervorzuheben ist für mich auch der siebte Platz des bereits 41-jährigen Italieners marokkanischer Abstammung Migidio Bourifa in 2:20:35 Stunden! 45 Läufer kamen ins Ziel, darunter leider keiner der deutschen Starter. Martin Beckmann und Tobias Sauter stiegen bei 18 bzw. 30 Kilometern wie bereits beim Frühjahrsmarathon aus... Machen wir es kurz ohne drum herum zu reden: ein Jammerspiel! Die Frage muss erlaubt sein, was läuft da in der Trainingsvorbereitung falsch, wenn von drei nominierten Athleten keiner ins Ziel kommt??? Verdacht: Übertraining, zuviel sogenannte "Qualität"!?
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