London Marathon 2018
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Autor und Copyright: Herbert Steffny
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Favoritensterben und "Selbstmord" an der Themse
Falsche Taktik kostet Favoritinnen Sieg - Eliud Kipchoges dritter Erfolg
(von Herbert Steffny 22.4.2018)

Inhalt:
Eliud Kipchoge
Eliud Kipchoge konnte sich zwar an der Themse in einem Klassefeld durchsetzen, muss aber
wohl für die Unterbietung des Weltrekords wieder nach Berlin.
(Foto, Copyright Herbert Steffny)

Das Wetter spielte nicht ganz so mit wie erhofft, es wurde sonnig warm, kein Weltrekordwetter. Dennoch rannten sowohl die Frauen als auch Männer unverständlicherweise nahezu blindlings auf die Rekordmarken und die meisten Favoriten mussten am Ende der falschen Taktik Tribut zollen. Eliud Kipchoge, der Marathonmann unserer Tage schlechthin, rannte zwar nicht den erhofften Weltrekord, konnte aber dennoch als Sieger in 2:04:17 Stunden dem Rest der Weltspitze erneut die Hacken zeigen. Bei den Frauen begingen die beiden Top-Favoritinnen Mary Keitany und Tirunesh Dibaba regelrecht "Selbstmord an der Themse". Trotz der vorauszusehenden warmen Bedingungen begann das Duett mit Weltrekordtempo. Während Keitany mit Platz vier zwar durchgereicht wurde, sich aber noch die Option auf die Marathon World Majors Prämie sicherte, stieg Tirunesh Dibaba nach 30 Kilometern aus. Die lachende Dritte wurde Erste: 5.000 Meter Olympiasiegerin Vivian Cheruiyot siegte in einem clever und gleichmäßig eingeteilten Rennen in für die Bedingungen noch erstklassigen 2:18:31 Stunden.


Das Favoritinnen-Duo ignoriert die Sonne

Mary KeitanyDie Damen starteten 45 Minuten vor den Herren, diesmal als Novum für die letzten Jahre, wo man in London lange trotzig dem „womens only Kult“ frönte, nun doch wieder mit vier männlichen Tempomachern wie bei Paula Radcliffes Weltrekord Rennen 2003. Die Favoritinnen Mary Keitany (Foto, Copyright Herbert Steffny) aus Kenia und Tirunesh Dibaba aus Äthiopien nahmen auch gleich das flotte Anfangstempo an: die ersten fünf Kilometer in 15:46 Minuten, das führt in Richtung 2:13 Stunden, also klare Weltrekord Pace! Ob das bei den zu erwartenden warmen Temperaturen Sinn machte, sollte sich bald zeigen. Allerdings führt dieser erste Abschnitt auch etwas bergab. Dem Hasen-geführten Duo folgten bereits mit 10 Sekunden Abstand die Kenianerinnen Brigid Kosgei und Gladys Cherono, die immer noch auf 2:14-Kurs rannten. Auch bei 10 Kilometern in 31:46 Minuten war das Favoriten Duo voll im festgelegten Plan, jetzt auf „moderaterem“ 2:14 Stundenkurs. Der Abstand auf das Verfolger-Duo vergrößerte sich auf einen halbe Minute.

Bei 17 Kilometern konnte Dibaba aber der kleinen Kenianerin aus Iten nicht mehr folgen, die nun im Alleingang mit den beiden Hasen Halbmarathon plangemäß in sehr schnellen 67:16 Minuten durchlief, Dibaba folgte mit bereits 23 Sekunden Rückstand. Ein Trio folgte, nun auch mit der 5.000 Meter Weltmeisterin und Olympiasiegerin Vivian Cheruiyot. Die verfolgerinnen lagen mit 68:56 Minuten immer noch auf 2:17er Kurs. Bei 25 Kilometern war Keitany erstmals nicht mehr auf Weltrekordkurs, hatte aber immer noch 29 Sekunden Vorsprung auf Dibaba und 1:30 Minuten auf das kenianische Verfolger-Trio Kosgei, Cheruiyot und Cherono.



Vivian CheruiyotBei 30 Kilometern (1:37:03 Stunden) war Paula Radcliffes Weltrekord (2:15:25 Stunden, London 2003) endgültig außer Gefahr. Mary Keitanys Schritte wurden schwerer, aber eine 2:16er Zeit war noch im Bereich der Möglichkeiten und der Abstand zu Dibaba vergrößerte sich auf auf 52 Sekunden. Das Verfolger Trio reduzierte sich nun auf das Duo Cheruiyot und Kosgei, die die Äthiopierin nun schon vor sich in Sichtweite hatten. Eine Gehpause von Dibaba besiegelte danach allerdings rasch ihr Schicksal und die beiden Kenianerinnen passierten das erste prominente Opfer des Tages, die nach 30 Kilometern das Rennen aufgab. Nun machte sich Vivian Cheruiyot (Foto, Copyright: Herbert Steffny), die sich das Rennen bisher cleverer einteilte auf die Verfolgung der erlahmenden Keitany. Bei 35 Kilometern hatte diese nur noch 12 Sekunden Vorsprung auf die frühere Bahnspezialistin und Frankfurt Marathon Siegerin des Vorjahres. Jetzt zahlte sich die vernünftige Strategie für Cheruiyot aus, die bei fünf Kilometern als Fünftplatzierte viel vorsichtiger lediglich auf 2:18 Stundentempo lief und dieses konstant durchhielt.

Einen Kilometer später hatte Vivian Cheruiyot bereits die Führung übernommen und nahm auch die zwei Pacemaker mit. Sie machte bis zum Schluss einen starken Eindruck, winkte vorzeitig ins Publikum und lief bei Temperaturen von über 20 Grad in 2:18:31 Stunden noch eine exzellente Zeit. Sie verbesserte ihren Hausrekord im dritten Marathon um fünf Minuten und ist damit die viertschnellste Marathonläuferinnen in der ewigen Marathonbestenliste. Ihre gleichmäßige Renntaktik wurde belohnt. Ihr könnte die Zukunft auf dieser Strecke gehören, zumindest bringt sie von der Unterdistanz ein gehöriges Potential mit. Als Zweite kam in 2:20:13  Stunden Brigid Kosgei ins Ziel und den dritten Platz auf dem Podest sicherte sich die Äthiopierin Tadelech Bekele in 2:21:40 Stunden. Die Heldinnen der ersten Stunde mussten also schwer Federn lassen. Einmal mehr begann Mary Keitany viel zu schnell und musste für diese taktische Unklugheit am Ende wieder bezahlen. Sie verlor schwer angeschlagen noch den vierten Platz auf der Zielgeraden gegen Landsfrau Gladys Cherono (2:24:10 Stunden) und joggte in 2:24:27 Stunden über den Zielstrich. Schon im Herbst in New York überschätzte sich die Kenianerin und verlor im Finale gegen die US-Amerikanerin Shalane Flanagan.




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Eliud Kipchoge souverän, aber ohne Weltrekord

Die Männer ballerten in einer Neunergruppe durch die ersten fünf bergab führenden Kilometer in unglaublichen 13:48 Minuten (ein Tempo für deutlich unter 2:00 Stunden). Keine Scheu vor der Wärme, aber eigentlich auch hier Selbstmordtempo zumindest für einen großen Teil der Gruppe! Die 10 Kilometer Marke überlief die Powertruppe in 28:19 Minuten. Das war zwar nun etwas langsamer, aber immer noch klar auf Weltrekordkurs. Bei 15 Kilometern in 43:05 Minuten gab vorne Eliud Kipchoge mit den Hasen immer noch den Ton an. Die Gruppe zog sich nun etwas in die Länge und der Zweite des Berlin Marathons 2017 Guye Adola aus Äthiopien schien Schwierigkeiten zu bekommen. Der „local hero“ Mo Farah griff bei der Getränkeaufnahme wie ein Amateur neben seine Flasche und schmiss andere vom Tisch  Eigenartig auch, dass er bei diesem sonnig warmen Wetter mit langen gelben Ärmlingen startete.

Eliud KipchogeBei Halbmarathon in für die Wetterbedingungen viel zu schnellen 61:00 Minuten lagen noch sieben Läufer zusammen. Das war immer noch klar auf Weltrekordkurs! Bei 25 Kilometern hatte der zweifache Marathon Weltmeister Abel Kirui Schwierigkeiten, während Mo Farah sich hinter dem stark laufenden Eliud Kipchoge (Foto Copyright: Herbert Steffny) einreihte. Als Nächster bekam Kenenisa Bekele Schwierigkeiten und musste abreissen lassen. Die Tempomacher verabschiedeten sich und jetzt begann die offene Schlacht der verbliebenen Helden Kipchoge, Farah und dem Frankfurt Marathon Sieger 2017 (PR 2:05:50 Stunden) Shura Kitata. Allerdings schwanden allen zusehends die Kräfte. Nur noch ein Duo war an der 35 Kilometer Marke (1:42:33 Stunden) zusammen: Eliud Kipchoge und die Überraschung Shura Tola Kitata. Welt- und Streckenrekord waren wie bei den Damen längst außer Reichweite. 47 Sekunden dahinter hielt sich Mo Farah noch recht erstaunlich. 


Shura Tola KitataDer kleinere Äthiopier Kitata (Foto, Copyright: Herbert Steffny) klebte wie ein Schatten an dem haushohen Favoriten Kipchoge, der vorne die Pace selbstbewusst weiter bestimmte. Doch bei 39 Kilometern im Tunnel an der Themse bekam der Äthiopier Schwierigkeiten und der Olympiasieger zog davon. Bei 40 Kilometern (1:57:35 Stunden) hatte Kipchoge bereits 11 Sekunden Vorsprung vor seinem letzten verblieben Kontrahenten. Wie 2015 und 2016 konnte der Dominator der Marathonszene wieder in London gewinnen. Sein neunter Sieg in 10 hochklassigen Rennen. Allerdings gingen mit der Siegeszeit von 2:04:17 Stunden seine Träume vom Weltrekord immer noch nicht in Erfüllung, der Preis für den zu schnellen Beginn. Berlin kann hoffen ihn im September wieder am Start zu sehen und Weltrekordler Dennis Kimetto kann aufatmen. Sein Weltrekord hat weiter Bestand. Kitata lief als Zweiter in 2:04:49 Stunden noch einen exzellenten Hausrekord.

Mit deutlichem Abstand wurde Mo Farah Dritter in 2:06:21 Stunden. Damit hat er in seinem zweiten, diesmal wohl ernsthafter vorbereiteten Marathon Versuch sein Mindestziel den britischen Rekord von Steve Jones (Chicago 1985, 2:07:13 Stunden) zu unterbieten geschafft. Für einen absoluten Top Marathonläufer müsste er aber meines Erachtens seinen viel zu großen und kraftraubenden Bahnschritt ablegen. Als Vierter konnte Abel Kirui (2:07:07 Stunden) nach Verletzungspausen wieder an alte Leistungen anknüpfen. Der frühere Cross-Weltmeister Bedan Karoki wurde Fünfter in 2:08:34 Stunden und Kenenisa Bekele kam als Sechster in 2:08:53 Stunden ins Ziel.


Statistik und Deutsche

Schnellster Deutscher unter rund 41.000 Startern war Marian Bunte in 2:36:53 Stunden auf Rang 86. Bei den Damen war die W45 Läuferin Manuela Knispel in 3:22:16 Stunden auf Rang 286 die Schnellste. 318 Deutsche finishten in London. 40.149 LäuferInnen kamen ins Ziel, die Letzte brauchte 8:53:18 Stunden. Der Frauenanteil mit 41 Prozent ist deutlich höher als in Deutschland (17-25%).

Nachbemerkung: 

Das "Weltrekordthema" wurde im Vorfeld so hochgehypt, dass man wohl vergaß aufs Thermometer zu schauen? Ich wundere mich wirklich, warum Eliteläufer bei diesen zu erwartenden Bedingungen blind auf unrealistische Zeiten anlaufen. Was sollen die Tempomacher, wenn sie viel zu schnell losrennen? Wäre Keitany statt auf 2:13 auf 2:15:20 Stunden und Kipchoge statt auf unter 2:00 auf 2:02:50 Stunden angelaufen, wäre deutlich mehr drin gewesen. Man hätte dabei die Weltrekordzeit nicht aus dem Auge gehabt. Keitany hätte vielleicht noch als Siegerin in 2:17:XX Stunden durchlaufen können. Es zeugt von der Form von Eliud Kipchoge, dass er auch ein Mördertempo am besten wegstecken kann, immerhin bleibt im der Sieg, denn Zeit ist nicht alles. Am cleversten lief allerdings Vivian Cheruyiot, nämlich eine gleichmäßige Strategie und wurde dafür mit Sieg und Weltjahresbestzeit belohnt! Sie zeigte den Etablierten an diesem Tage wie es geht!



Ergebnisse:

Männer

1

KIPCHOGE, Eliud (KEN)

02:04:17

2

KITATA, Tola Shura (ETH)

02:04:49

3

FARAH, Mo (GBR)

02:06:21

4

KIRUI, Abel (KEN)

02:07:07

5

KAROKI, Bedan (KEN)

02:08:34

6

BEKELE, Kenenisa (ETH)

02:08:53

7

CHERONO, Lawrence (KEN)

02:09:25

8

WANJIRU, Daniel (KEN)

02:10:35

9

MESEL, Amanuel (ERI)

02:11:52

10

GEBREGERGISH, Yohanes (ERI)

02:12:09

11

OLEFIRENKO, Ihor (UKR)

02:15:06

12

SCULLION, Stephen (IRL)

02:15:55

 

 Frauen

1

CHERUIYOT, Vivian (KEN)

 

02:18:31

2

KOSGEI, Brigid (KEN)

 

02:20:13

3

BEKELE, Tadelech (ETH)

 

02:21:40

4

CHERONO, Gladys (KEN)

 

02:24:10

5

KEITANY, Mary (KEN)

 

02:24:27

6

CHELIMO, Rose (BRN)

 

02:26:03

7

DIBABA, Mare (ETH)

 

02:27:45

8

PARTRIDGE, Lily (GBR)

 

02:29:24

9

BARLOW, Tracy (GBR)

 

02:32:09

10

BRUCE, Stephanie (USA)

 

02:32:28

11

WADE, Rebecca (USA)

 

02:35:01

12

MURRAY, Rebecca (GBR)

 

02:39:37







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