Hasen, Tempomacher, Pacemaker |
Copyright, Text, Fotos: Herbert Steffny
Hasengeschichten
und Fersengeld
22.1.2007
mit Fotos (aktualisiert bis 2014)
Frage Dich als
Journalist nicht nur: |
Hallo
Herr Steffny,
So lieber Volker, das tue ich hiermit:
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Falscher Hase Geben Sie mal spaßeshalber bei wikipedia.de "Edelhase" ein. Sie werden der Lösung dabei aber nicht nahe kommen. Bei "Hase" gibt es dann schon interessante synonyme Bedeutungen wie "Playboy-Häschen" oder gar "Betthasen", aber selbst dort ist die hier gemeinte Bedeutung bisher noch nicht verewigt worden (was ich aber am 23.1.2007 dort nachgeholt habe...). Gehen Sie bei Google.de auf "Bilderanzeige" und deaktivieren in Ihrer Verzweiflung auch noch den Kinderschutz... oje, was da alles auftauchen kann.... ;-)), interessant, aber Sie sind immer noch auf dem falschen Dampfer... Falscher Hase! (ein Hackfleischgericht.... so stehts in Wikipedia). Aber nun im Ernst: Es handelt sich um einen oder mehrere Tempomacher oder Schrittmacher (englisch "pace maker"), die man für die Erzielung von Strecken- oder Weltrekorden bei City Marathons oder internationalen Leichtathletik Sportfesten einsetzt. Bei Meisterschaftrennen ist das nicht erlaubt, es kann dabei aber durchaus zum "Teamwork" einer National- oder Vereinsmannschaft kommen. Bei Radrennen nennt man die Helfer auch Edel-Domestiken oder Wasserträger, weil sie dem Chef auch noch die Wasserflaschen und Müsliriegel hinterher tragen müssen... Von wegen Angsthase Die Aufgabe der Tempomacher beim Laufen ist es, das Feld anzuführen und das Tempo möglichst konstant auf die geplante Zielzeit vorzugeben, um den eigentlichen Favoriten oder Stars in der ersten Phase des Rennens diese Arbeit abzunehmen. Zu den Aufgaben gehört es beispielsweise die Zwischenzeiten zu kontrollieren, bei ungünstigen Bedingungen natürlich in vorderster Front laufend auch den Wind zu brechen oder auch Informationen einzuholen und weiter zu geben. Die zierlichen Eliteläuferinnen werden im Pulk der Männer von ihren Hasen bisweilen auch ein wenig abgeschirmt. Gerade im Elitebereich versuchen sich Manche dicht an die Topläuferinnen zu drängeln, um vielleicht im Fernsehen gesehen zu werden. Beim Marathon steigen die Tempomacher je nach Absprache oder Vertrag meist nach Halbmarathon oder bei 25 Kilometern aus, Edelhasen schaffen es vielleicht bis Kilometer 30. Der Job ist beendet. Von nun an muß der Topläufer oder die verbliebene Führungsgruppe alleine weiterlaufen. Es kann bei einem großen City Marathon wie in Berlin, der ähnlich wie in Frankfurt das Timing durch Hasen-geführte Rennen bis zur Perfektion treibt, schon bis zu 30 Hasen geben, die für verschiedene Gruppen der Männer und Frauenelite das Tempo vorgeben. Weiter kann man zwischen "vom Veranstalter gestellte" und "persönliche Hasen" differenzieren. Letztere bringt sich der Star XY selbst mit. Es ist der Läufer seines Vertrauens. Für besonders zuverlässige "Edelhasen" wird einiges bezahlt. Einige (zig-)tausend Euro können da schon drin sein, eventuell noch eine Erfolgsprämie bei Gelingen des Unternehmens (Welt-)Rekord. Man muss bedenken, dass ein Tempomacher, der bis 30 Kilometer z.B. auf Weltrekordtempo mitlaufen kann u.U. selbst ein portentieller Weltrekordkandidat ist. Echte Edelhasen Bekannte Hasen in der Vergangenheit waren Martin Keino, der Sohn des kenianischen Olympiasiegers Kipchoge Keino, dessen Talent nicht ganz für eine Super-Solokarriere reichte, aber als Hase hatte er ein superbes Zeitgefühl und war bei den internationalen Sportfesten wie in Zürich eine sichere Bank für solche Aufgaben. Der frühere 2:10 Marathonläufer Carsten Eich aus Deutschland verdingte sich bei den deutschen City Marathons am Ende seiner langen Karriere ebenfalls als gut agierender Tempomacher mit klarem Überblick, der bisweilen die zu individuellen Aktionen neigenden Kenianer koordinieren und zusammenhalten konnte. Ich selbst machte zu Beginn meiner Karriere, als Durchgangsstation gewissermaßen, dem WM-Vierten Kjell-Erik Stahl aus Schweden beim Bremen Marathon das Tempo zu seinem Sieg. Er wäre sonst auf weiter Flur alleine gelaufen. Ich habe ihn damals bewundert und viel vom ihm gelernt, so z.B. frühzeitig das Konzept des Stretchings schon zu Beginn der 80er Jahre. Später war ich stolz, aber auch ein wenig betroffen, meinen Star, den City Marathon Champion Stahl bei meinem Sieg beim Hoechst Marathon 1985 oder bei den Europameisterschaften 1986 hinter mir zu lassen. Rasende Hasen Manchmal fühlt sich
der Tempomacher bei 25 Kilometern selbst noch blendend.
Es kann sein, dass der Hase dann auf eigene Kappe
weiter läuft und es ist schon einige Male
passiert, dass er den Marathon auch gewonnen hat. Als
Kommentator beim City Marathon muß ich immer auch über
die Hasen im Bilde sein. Man weiß nie, was da passieren
kann. Auch der Starläufer kann den Hasen nie 100-prozentig
trauen. Bekannt wurde der ursprüngliche Tempomacher Sammy
Korir beim Berlin Marathon 2003, der seinen Chef
Paul Tergat bis zum Ende alles abforderte, zum
Weltrekord trieb (2:04:55 Stunden) und ihn mit
nur einer Sekunde Rückstand um ein Haar noch geschlagen
hätte. Es wurde damals viel spekuliert, ob der
Hase seinen Chef und Landsmann Paul Tergat verschont habe,
schließlich war er aus dem selben (FILA-)Team. Es sollte
eine Stallorder gegeben haben, denn dem Team wären
vielleicht Erfolgsprämien, die nur an den Sieg Tergats
gekoppelt waren entgangen. Ich habe mir den Spurt der
beiden Kontrahenten mehrmals genau angeschaut und bin bis
heute der Überzeugung, dass der Zweikampf echt und nicht
gefaked war! Für mich war Tergat der Champion
und Korir der beste Marathonhase aller
Zeiten! Männer im Frauenrennen Die kurioseste
Hasengeschichte konnte man beim London
Marathon erleben. Männer- und Frauenelite
starten dort fein säuberlich nach Geschlecht getrennt.
In dem vom Veranstalter lautstark angepriesenen
"reinen Fraueneliterennen" zeigten aber
komischerweise dann doch wieder männliche Hasen
(Rammler?) den Damen, wo es lang geht, ähhhhh.... sie
machen Ihnen das Tempo. So auch 2003 beim Weltrekord
von Paula Radcliffe. Hier begleiteten die
Kenianer Simon Loywapet und Christopher Kandie "Queen Paula" zum
Weltrekord (2:15:25 Stunden). Ja was denn nun bitte liebe
London Veranstalter, getrennte Rennen oder nicht?
Immerhin laufen hier die leichten Mädchen auf der
Straße ausnahmsweise mal hinter den Männern her....
(näheres dazu: Magermodels und Marathonläuferinnen). Mittlerweile haben die Londoner - wohl
doch etwas hasenfüßig geworden - die männlichen
Tempomacher für das Frauenrennen wieder aus dem Verkehr
gezogen und durch weibliche ersetzt, die abr nur noch bis Halbmarathon mithalten können. Ein richtiger "Hasenkiller" war der 3.000 Meter Hindernisweltrekordler Stephen Cherono aus Kenia, seit seinem Wechsel als hochbezahlter Fremdenlegionär (oder auch von mir "Petrol-Kenianer" genannt) in Qatar auch als Saif Saaeed Shaheen bekannt. Er ist seiner Konkurrenz derart überlegen, dass es niemanden gab, der ihm über die Hälfte des Hindernisrennens hinaus noch helfen konnte (oder wollte). 2006 scheiterten seine Weltrekordversuche angeblich am Versagen der Hasen, was natürlich aus meiner Sicht Unsinn ist. Wer so überlegen läuft, braucht sich natürlich nicht zu wundern, dass da keiner mehr mithalten kann. Dem ist sozusagen nicht mehr zu helfen... Es geht auch anders: vielleicht sollte Shaheen einfach auf die Hasen pfeifen, so wie es ein anderer Hasenkiller Samuel Wanjiru vorexerzierte. Dem nur 1,63 großen, damals erst 20-jährigen Kenianer wurde es bei seinem Halbmarathon Weltrekordlauf (58:35) in Den Haag am 17.3.2007 schon nach drei Kilometern zu langsam. In einem 18 Kilometer-Sololauf verbesserte er sozusagen "en passant" auch noch den 20km Weltrekord.... Leider ist Wanjiru, der in sensationeller Manier auch den Olympischen Marathonlauf in Peking bei einem Hitzelauf in unglaublichen 2:06:32 Stunden gewann, und damit erster kenianischer Olympiasieger über 42,195 Kilometer wurde, durch einen tragischen Unfall (oder Mord?) bereits von uns gegangen. Und noch jemand möchte die Hasen aussterben lassen: Das Internationale Leichtathletik Sportfest in Zürich fand 2007 im neu erbauten Letzigrund-Stadion statt, aber erstmals wurden die 1,4 Millionen US-Dollar Preisgelder ohne "Edelhasen" vergeben. Andreas Hediger, Technischer Direktor des Weltklasse Zürich Meetings wollte statt stereotyper Rekordjagden wieder atemberaubende Duelle und harten Zweikämpfe in den Vordergrund stellen. Die Konsequenzen waren aber langsame Zeiten und Spurtersiege. Ab 2008: offenbar hat man in Zürich aus 2007 doch die Konsequenzen gezogen und wird in begrenztem Rahmen 2008 wieder Hasen einsetzen, denn die Fans möchten es offenbar so. Auch der New York Marathon hatte ähnliches für seine Auflagen ab 2007 angekündigt. Vielleicht möchte man dort aber auch nur von der langsamen Strecke ablenken, die bei einer Weltrekordhatz ohnehin nicht mithalten könnte. Kommt der "Edelhase" vielleicht bald auf die Rote Liste der aussterbenden Tierarten? Hasenjob, schwerer Job! Ein ganz berühmter Läufer und ein Paradebeispiel dafür wie man mit gleichmäßigem Timing auf der Bahn und Straße hasengestützt zum Weltrekord läuft, ist der Äthiopier Haile Gebrselassie. 2007 und 2008 verbesserte er zweimal in Berlin den Marathon Weltrekord auf bis zu 2:03:59 Stunden. Seine Tempomacher machten jeweils exzellente Arbeit. Gegen Ende seiner Karriere wechselte der alternde Star das Lager und verdingte sich dann selbst als Hase und..... machte es richtig schlecht! Bei allem Respekt vor seinen Leistungen, aber beim London Marathon 2014 stieg der als "Pace 1" markierte frühere Superläufer bereits nach 15 Kilometern aus, nachdem er zuvor viel zu schnell angelaufen war und damit jegliche Chance auf ein gleichmäßiges Weltrekordtempo vermasselt hatte. So leicht ist der Hasenjob gar nicht! Hasen als Sparringspartner Wer es sich leisten kann oder die richtige Truppe zusammen hat, kann auch im Training bereits eine Hasentruppe vor sich her hoppeln lassen. Sabrina Mockenhaupt hat sich dazu ihren Bruder herangezogen. Die Zwillinge Lisa und Anna Hahner können sich bei ähnlichem Leistungsvermögen gegenseitig aushelfen, was aber wenn man der Konkurrenz stark überlegen ist und kaum einer mithalten kann? Dann können Frauen wie Florence Kiplagat, Weltrekordlerin über Halbmarathon 2014 in 1:05:12 Stunden, auf die Unterstützung von heimischen Männern in Kenia zurückgreifen, denn arbeitslose "zweitklassige" Läufer gibt es im Hochland in Hülle und Fülle oder man hält sich als Mann eine ganze Truppe von Läufern, wie Mo Farah, der in Iten/Kenia im Februar 2014 sein hartes Intervalltraining mit sich laufend abwechselnden Hasen und Fahradbegleitung runter riss (siehe Bilder rechts). Dieser Mann braucht keine Hasen: |
Häsin Teil 1: Die zuverlässige Russin Olga Komyagina macht der Äthiopierin Meseret Defar (241) zunächst bis 1800 Meter erfolgreich das Tempo auf Weltrekordkurs... (Foto, Copyright: Herbert Steffny)
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Hasentod! Sterben die Tempomacher aus? Hier ein "Hase" vor dem späteren Hamburg Sieger Rodger Rop (Nr.26) (Foto, Copyright:: Herbert Steffny)
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